fundament
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- Einleitung
- Das Emmaus-Evangelium
- Das Symbol des Weges
- Gemeinschaft und Freundschaft
- Gottes Nähe im Verborgenen
- Aufbruch und Veränderung
- Leben und Lebendigkeit
- Gottes Geist als Wegbegleiter
Einleitung
Das Fundament, auf dem ich stehe und von dem aus ich mich bewege, ist Thema dieser Seite: Mein Glaube an Gott und sein Handeln in dieser Welt. Der Glaube ist für mich eine Haltung, eine Art Weltdeutung oder Weltanschauung. Und meine FreundInnen, Menschen, denen ich begegne, die vielfältigen Begebenheiten meines Alltags sind für mich letztlich die konkrete Erfahrung, daß ER da ist, daß er JA zu mir sagt, trotz aller Ecken und Kanten, trotz aller Unvollkommenheit.
Vielleicht klingt das abgehoben für Dich oder nach jemandem, der dem religiösen Wahn verfallen ist. Dies ist nun wirklich nicht so; vielleicht kommst Du ja in den Genuß, Dich davon mal selbst zu überzeugen. Denn ich kann manchmal sehr, sehr weltlich sein ;-).
Wie sieht mein Glaube aus? Wo gewinnt er Gestalt? Woraus nährt er sich? Das ist gar nicht so einfach zu sagen, und es braucht Zeit, Intuition und aufmerksame Wahrnehmung mit dem Herzen, um es zu verstehen. Am liebsten würde ich Dir sagen: Komm, und verbringe ein bißchen Zeit im Alltag mit mir. Das hat vor vielen Jahrhunderten Augustinus jemandem gesagt, der wissen wollte, was das Christentum ist. Ich will es anhand folgender Geschichte deutlich machen, weil sie ganz tiefe und wesentliche Erfahrungen und Überzeugungen für mich verdichtet - das kannst Du aber dann im Anschluß lesen.
Das Emmaus-Evangelium
"Am gleichen Tag (dem Ostertag) waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das 10 km von Jerusalem entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte. Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, so daß sie ihn nicht erkannten. Er fragte sie: "Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?"
Da blieben sie traurig stehen, und der eine von ihnen antwortete: "Bist Du so fremd in Jerusalem, daß Du als einziger nicht weißt, wa in diesen Tagen dort geschehen ist?" Er fragte sie: "Was denn?" Sie antworteten ihm: "Das mit Jesus aus Nazareth. Er war ein Prophet: Mächtig in Wort und Tat vor Gott und dem ganzen Volk. Doch unsere Hohenpriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft, daß er der sei, der Israel erlösen werde. Und dazu ist heute schon der dritte Tag, seitdem das alles passiert ist. Aber nicht nur das: Auch einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seinen ihnen Boten erschienen und hätten gesagt, er lebe. Einige von uns gingen dann zum Grab und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn selbst aber sahen sie nicht."
Da sagte er zu ihnen: Begreift Ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so zur Vollendung zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.
So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei uns, denn es wird bald Abend; der Tag hat sich schon geneigt. Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben. Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr.
Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß? Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fangen die Elf und die anderen Jünger versammelt. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon Petrus erschienen! Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach."
Lukasevangelium, 24. Kapitel, Verse 13 ff
Das Symbol des Weges.
Ein uraltes Symbol für das Leben ist der Weg. Wenn ich an meinen Alltag, mein tägliches Erleben denke, fallen mir viele Wege ein: mein täglicher Weg in die Stadt oder zu Arbeit, die Fahrt in den Urlaub, eine Wanderung, ein Spaziergang am Meer, der Weg zu einem Freund usw.
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Ein Weg kann lang, weit oder kurz sein, steinig, staubig, bergauf oder bergab führen. Zuweilen in unbekannte Gebiete führen oder vertrauter Weg sein. Routine oder Herausforderung. Das Wetter beeinflußt den Weg nicht unerheblich: Sonne, Regen, Schnee können den Weg angenehm oder beschwerlich machen.
Er kann auch Gefahren bergen, widrige Umstände entgegenstellen oder - viel besser - auch freudige Überraschungen bereithalten. Gepäck kann Ballast auf dem Weg sein; unsere Erfahrungen, Bilder, Eindrücke und Gefühle eines Weges oder einer Reise können reiche Schätze sein, die wir wieder mit nach Hause bringen, die uns keiner nehmen kann und von denen wir noch eine Zeit lang zehren können.
Der Weg beginnt stets mit dem ersten Schritt, und das Ziel ist nicht selten ein anderes als erwartet oder auch gänzlich unbekannt. Ein Abenteuer oder eine Herausforderung. Chance und Riskio.
Wir reifen auf unserem Weg, werden geschliffen und geformt. Aber auch wir hinterlassen Eindrücke und Spuren in der Welt und bei den Menschen.
Wir können vom Weg abkommen, uns verirren; in Sackgassen geraten, auf Schnell- und Landstraßen unterwegs sein. Wir werden manchmal eines falschen Weges gerwiesen, werden unterwegs freundlich aufgenommen oder abgewiesen. Eine Rast läßt uns neu auftanken, uns stärken.
Und der Weg wird oft kürzer, einfacher oder einfach lustiger, wenn man ihn gemeinsam mit einem oder einer Anderen oder zu mehreren geht. Auch von Etappe zu Etappe.
Erfahrung von Gemeinschaft und Freundschaft.
Ich kenne Stunden, in denen eine große Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzte: Eine Liebe blieb unerwidert, ein naher Mensch ist gestorben, ein Traumjob wurde an jemand anders vergeben. Ich "hänge durch", und nichts mag mich in dem Moment aufheitern.
Oft treffen wir in solchen Situationen Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Sie geben uns Gelegenheit, die eigenen Gefühle auszusprechen, zu verstehen; sie jemandem zu sagen, der sie zutiefst mit-teilt, weil er ähnlich empfindet. Wir sind dann nicht allein mit unserer Trauer. Und manchmal wird der Zustand dadurch erträglicher, und wir schöpfen daraus neue Kraft. Aber das kann sich auch ins Gegenteil verkehren: Wir ziehen uns gegenseitig in die Tiefe.
In einer solchen Situation ist es wichtig, jemanden zu haben, der einem heraushilft.
Ein unbeteiligter Dritter, der uns die Dinge von der anderen Seite schildert, die wir
in unserer Stimmung gar nicht mehr wahrnehmen, der uns eine tiefere Einsicht oder eine
andere Perspektive eröffnet. Oder ein guter Freund, eine gute Freundin. In dieser
Geschichte ist es Jesus selbst.
Auch Trauern ist ein Weg, der seine Zeit braucht. Und es ist gut, wenn jemand uns begleitet, der den Weg schon kennt und ihn gemeistert hat. Er kann uns mitnehmen auf dem Weg aus der Dunkelheit heraus, und wir entdecken plötzlich ganz neue Perspektiven. Manchmal auch erst eine geraume Zeit später.
Diese Gemeinschaft des Herzens trägt und erträgt, ist wie ein Netz, das auffängt.
Gemeinschaft und Freundschaft haben Rituale, die uns ein Gefühl von Zuhause, Angekommensein vermitteln: Punkte, Zeiten und Orte, an denen sie konkret wird: Geburtstagsfeiern, ein Kinobesuch, ein Essen, gemeinsames Spiel, gemeinsames Kaffeetrinken usw.
Und auch Sexualität drückt für mich Gemeinschaft aus: je tiefer zwei Menschen sich verbunden sind, umso intensiver kann die gemeinsame Lusterfahrung sein. Und wie schön ist es, den anderen einfach ganz dicht am Körper zu spüren, seine Wärme und seinen Herzschlag - ein Aufgehoben-Sein beim anderen. Sich an seiner Nähe "betrinken". Sich gegenseitig in einen ver-rückten Zustand bringen - in dem man sich völlig frei und absolut aufgehoben fühlt.
Gottes Nähe auch im Verborgenen.
Obwohl die beiden Freunde Jesu zunächst nicht spüren, daß ER mit ihnen geht, ist er bei ihnen und führt sie. Nicht selten denke ich, daß meine Freunde weit weg oder Gott ganz fern ist, weil ich sie nicht sehe und auch nicht so recht spüre! Und trotzdem bewirken sie etwas in uns: Es ist die tiefe Überzeugung und Erfahrung, daß Freunde verläßlich sind und wir uns im Zweifel auf sie verlassen können: sie sind für uns da. Und mit Gott ist es für mich letztlich genauso. Gott sei Dank - diese Erfahrungen durfte ich machen!
Und weil es oft so ist, haben wir Zeichen oder Symbole, bestimmte Worte oder Handlungen, die uns die Freundschaft immer wieder bewußt machen und an denen wir einander erkennen, die eine ganz eigene Aussagekraft haben. Und das können auch die gemeinsamen Rituale und Erinnerungen sein, die uns das Ersehnte in unser Herz holen.
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Den Jüngern gehen die Augen auf, als Jesus das tut, was er immer mit Ihnen getan hat und was er zum Abschied mit ihnen getan hat: Mahl halten - das Brot segnen und miteinander teilen. So verkündet er die Frohe Botschaft: Ich bin nicht tot! Ich bin bei Euch! Ich habe Gemeinschaft mit Euch! Und das Mahl ist unser Zeichen.
Das ist das Zeichen, an dem wir Gottes Nähe unter uns erkennen, und wie ER unter uns, in unserer Mitte, ist, wie er sich in Erinnerung ruft: das gemeinsame Mahl, in dem er sich uns schenkt - im wörtlichen (eher katholisch: als Leib Christi) oder übertragenen, symbolischen Sinne (eher protestantisch: durch die Symbolhandlung, die durch den Glauben des einzelnen bekräftigt wird). Das ist letztlich eine individuell- spirituelle Frage. Egal, wie ChristInnen einer Konfession es verstehen; egal, welcher Konfession sie angehören: das Mahl ist das Zeichen für das Leben nach dem Tod, in dem ER unter uns ist und uns nahe sein will.
So wird das Mahl dem Grunde nach selbst zu einem Zeichen des Lebens, der Auferstehung und der Gemeinschaft / Freundschaft.
Und nicht nur das Mahl: Jesus erläutert ihnen auf dem Weg die gesamte Verkündigung über den Messias, ausgehend von Mose und den Propheten. Gleichsam der "rote Faden" durch die Heilsgeschichte Gottes mit Israel. In ihrer Trauer und Mutlosigkeit wird das Wort Gottes, Jesu Verkündigung selbst zur Gegenwart in ihrer Mitte. Es rührt sie in ihrem Herzen an und bringt ihre Herzen zum Brennen. Im Wort und der Zusage Gottes wird deutlich, daß die Hoffnung nicht am Kreuz stirbt, sondern in die Auferstehung, in das Leben mündet.
Aufbruch und Veränderung. Oder: Stärkung und Be-Geisterung.
Jesus rührt die beiden Freunde an. Immer wieder gibt es bei mir Menschen und Situationen, von und in denen ich - positiv oder negativ - angerührt werde, die mich faszinieren oder auch aufregen, in denen ich Freude oder auch tiefe Verbundenheit spüre.
Es ist eine Situation, in der wir ein besonderes Kribbeln fühlen, eine Kraft,
die uns treibt, und uns in der inneren Tiefe betrifft (denke mal an die Situation,
in der Du Deinen Freund oder Deinen Freundin kennengelernt hast :-). Es ist uns
nicht immer bewußt, und manchmal fällt es uns im Nachhinein wie Schuppen von den
Augen: "Brannte uns nicht das Herz..."
Auf einer Karte habe ich mal den Spruch gelesen: "Folge Deinem Herzen, es kennt den Weg." Wenn unser Herz angerührt wird, wenn uns etwas nahegeht, weckt das in uns eine ganz eigene Aktivität; wir können nicht anders, als aktiv zu werden, zu handeln.
Von ihm selbst gestärkt durch Wort und Brot (als Symbol für "Körper, Geist und Seele", oder für "Leib und Leben"), drängt es die Jünger wieder zu ihren FreundInnen zurück. Nichts kann sie halten ob der Erfahrung, die sie gemacht haben; sie sind be-geistert und können nicht zurückbleiben, sondern müssen diese Frohe Botschaft in die Welt tragen.
Und diese Kraft, die uns treibt, ist letztlich ein Wirken des Heiligen Geistes, sein "Feuer", das uns brennen macht.
Leben und Lebendigkeit. Oder: Der Tod ist nur vorläufig.
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Die Jünger glaubten Jesus tot; indem er selbst sich ihnen zeigt und mit ihnen Mahl hält, sagt er: Dies ist das Zeichen, daß alles in dieser Welt nur vorläufig ist und nicht das letzte Wort ist. Gottes Plan ist das Leben, nicht der Tod. Und wo Veränderung stattfindet, wo etwas passiert, wo nichts end-gültig ist, dort ist Lebendigkeit. Und diese Erfahrung kann für das Leben Mut machen, auch dann, wenn alles am Ende zu sein scheint.
Der Autor Ulrich Schaffer hat es einmal so formuliert:
Ostern verstehen als das Aufgehen eines Morgens über einem Leben voller Verletzungen, Enttäuschungen und festgefahrener Muster. Und weil es ein Ostern gab, weil das Leben einmal so durchgebrochen ist, gibt es gerade in den ausweglosen Situationen, in den Verletzungen und Enttäuschungen die Möglichkeit eines neuen Anfangs.
Und überall, wo sich ein neuer Anfang den Weg bahnt, wo "tabula rasa" gemacht wird, dort ist Ostern, dort ist Hoffnung, dort ist Leben.
Gottes Geist als Wegbegleiter.
Mit der Osterbotschaft, mit den Begegnungen des Auferstandenen, ist das Evangelium nicht am Ende der Erzählungen. Und auch bereits in der Emmaus-Geschichte zeigt sich das Wirken des Geistes bereits.
Die Bibel erzählt mehrfach vom Pfingstereignis: Gottes Geist
begleitet die Menschen, die Gemeinschaft der Glaubenden ("Kirche") auf ihrem
Weg durch die Zeit: Der Geist macht lebendig, ist Trost und Helfer, ist Gottes
Liebe zu den Menschen, ruft die Menschen in die Gemeinschaft mit Gott und
untereinander. Er will uns innerlich frei machen, zu einem Leben in Fülle und
Selbstwertgefühl stärken. In ihm ist er selbst bei uns und begleitet uns.
Und so lebe ich, so lebt jeder Christ, jede Christin, in der Spannung von Welt und Göttlichem, von "nicht mehr" und "noch nicht": Der Himmel ist noch nicht auf Erden; aber es gibt Augenblicke, Orte, in denen sich der Himmel öffnet und das Kommende schon sichtbar wird. Manche Leute nennen das Glück.